Heiligenstadt, Wien

Die Probusgasse im Jahr 1898

Die Herkunft des Namens HeiligenstadtEdit

Der Name Heiligenstadt deutet darauf hin, dass es bereits vor der Ankunft des Christentums eine heilige Stätte in dieser Gegend gab. Die erste urkundliche Erwähnung einer Siedlung stammt aus dem Jahr 1120 und nennt den Ort St. Michael. Der Erzengel Michael ist auch im Wappen von Heiligenstadt abgebildet. Der Begriff Sanctum Locum (Heiligenstadt) taucht erstmals Ende des 12. Jahrhunderts in Urkunden auf, wobei unklar ist, welche heilige Stätte damit gemeint ist. Die Theorie, dass der Heilige Severinus von Noricum hier gelebt hat, ist widerlegt.

Heiligenstadt von der Vorgeschichte bis zum Ende des MittelaltersBearbeiten

Heiligenstadt wurde bereits vor mehr als 5000 Jahren besiedelt. Auch Spuren einer römischen Besiedlung sind gefunden worden. 1872 wurden in Heiligenstadt Mauerreste gefunden, die belegen, dass in diesem Gebiet einst ein römischer Turm stand, der Teil des Limes war. Auch in der Nähe der Jakobskirche wurde ein römisches Gräberfeld gefunden, ebenso wie ein Awarengrab aus dem 6. Es folgten die Franken, die sich um 900 erstmals in Heiligenstadt niederließen. Ursprünglich konzentrierte sich die Besiedlung auf das Gebiet um den heutigen Pfarrplatz und umfasste auch die erste Kirche in diesem Gebiet. Die Bewohner waren Bauern, die sich weitgehend von ihren eigenen Erzeugnissen ernährten. Sie fingen auch Krebse und Fische im westlichen Donauarm (wo sich heute die Heiligenstädter Straße befindet). Wein wurde für den Verkauf produziert, Weinkeller sind noch heute im Hang neben der Heiligenstädter Straße zu finden. Bereits um 1250 besaß das Stift Klosterneuburg Weingärten in Heiligenstadt. Im Jahr 1304 verlieh Bischof Weinhardt von Passau dem Stift das Recht, nach dem Tod des Pfarrers die Pfarre Heiligenstadt zu übernehmen. Im Mittelalter war Heiligenstadt eine der reicheren Siedlungen in der Umgebung. Eine Schule wird 1318 urkundlich erwähnt; sie war wahrscheinlich die einzige in der Gegend. Wie viele andere Städte am Stadtrand von Wien hatte auch Heiligenstadt unter den Wirren des 15. und 16. Jahrhunderts schwer zu leiden. Matthias Corvinus verwüstete Heiligenstadt 1484, während die Türkenplünderungen während der ersten Belagerung Wiens 1529 die Jakobskirche und die Michaelskirche stark beschädigten. Letztere konnte jedoch 1534 dank der Spenden der Einwohner von Döbling, Grinzing, Nußdorf und Heiligenstadt (die alle zu dieser Pfarre gehörten) wiederhergestellt werden.

Heiligenstadt seit dem MittelalterBearbeiten

Die Pfarrkirche in Heiligenstadt im Jahr 1900

Die Reformation ließ Heiligenstadt weitgehend unberührt, doch 1683 fiel die Siedlung der zweiten Wiener Belagerung zum Opfer. Viele Einwohner von Heiligenstadt wurden massakriert; der Name der Blutgasse erinnert noch heute an dieses Ereignis. Die Verwüstung war so groß, dass die Siedlung einem Ödland glich. Die Wirtschaft von Heiligenstadt erholte sich erst im 18. Jahrhundert, als Vieh und Obst aus der Region auf den Märkten in Wien beliebt wurden. Der Aufschwung Heiligenstadts wurde Ende des 18. Jahrhunderts durch den Bau eines öffentlichen Bades unterstützt, das eine Heißwasserquelle nutzte. Täglich besuchten bis zu 300 Personen das Bad und das angeschlossene Restaurant.

BeethovenEdit

In den Sommermonaten war Heiligenstadt ein Touristenort. Ludwig van Beethoven lebte dort von April bis Oktober 1802, um sich mit seiner zunehmenden Taubheit zu arrangieren. Es war eine schwierige Zeit für den Komponisten. In einem Brief an seine Brüder, dem berühmten Heiligenstädter Testament, äußerte er Selbstmordgedanken. Aber er kehrte mit einer verjüngten Einstellung und neuen Prioritäten in seiner Musik (dem Beginn seiner „Mittleren Periode“) aus der Stadt zurück und lebte weitere 25 Jahre.

19. JahrhundertBearbeiten

Die Heißwasserquelle versiegte in der zweiten Hälfte des 19. Dennoch wuchs der Ruf der Stadt als Sommerfrische weiter, und das Wiener Bürgertum siedelte sich weiterhin in Heiligenstadt an. 1851 wurde die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik, der staatliche meteorologische und geophysikalische Dienst Österreichs, auf der Hohen Warte eingerichtet. Der Friedhof von Heiligenstadt wurde 1873 gegründet.

WachstumBearbeiten

Heiligenstadt wuchs im 18. und 19. Jahrhundert rasant. Im Jahr 1795 gab es 60 Häuser mit 470 Einwohnern, die in drei Straßen in der Nähe der heutigen Grinzinger Straße, Probusgasse, Hohe Warte und Armbrustergasse wohnten. Im Jahr 1832 waren es 677 Einwohner in 94 Häusern. Bis 1870 stieg die Zahl auf 3393 Einwohner in 244 Häusern an. Um 1890 wurden in Heiligenstadt mehrere Fabriken eröffnet, und die Einwohnerzahl stieg auf 5579 an. Innerhalb von 60 Jahren hatte sich die Zahl der Häuser mehr als verdreifacht. Der 6000 m² große Heiligenstädter Teich, in dem die Einwohner früher badeten, fiel diesem Bauboom zum Opfer. Er wurde durch die Verschmutzung zum Problem und wurde in den 1920er Jahren zugeschüttet.

Heiligenstadt nach der Eingliederung in die Stadt WienEdit

Ein Blick vom Karl-Marx-Hof auf den Heiligenstädter Bahnhof

Im Jahr 1892 wurde Heiligenstadt gemeinsam mit den umliegenden Vororten Sievering, Grinzing, Oberdöbling, Unterdöbling, Nußdorf und Kahlenbergerdorf offiziell in die Stadt Wien eingegliedert.

Im Jahr 1898 wurde der von Otto Wagner entworfene Bahnhof Heiligenstadt als Umsteigebahnhof zwischen der 1870 in Betrieb genommenen Kaiser-Franz-Joseph-Bahn, der Wiener Stadtbahn und der Vorortelinie eröffnet. Heute ist der Bahnhof auch ein wichtiger Busbahnhof für Busse innerhalb Wiens und in Richtung Klosterneuburg.

Nach dem Ersten Weltkrieg verfolgte die sozialdemokratische Stadtregierung eine Politik des Baus von leistbaren Wohnungen, um die miserablen Lebensbedingungen der Arbeiterschaft zu verbessern. Zu diesem Zweck wurde in Heiligenstadt der riesige Karl-Marx-Hof auf einem Gelände errichtet, auf dem sich bis zum 12. Jahrhundert ein schiffstiefer Donauarm befunden hatte und wo später Obst- und Gemüsegärten angelegt worden waren. Der Komplex, der 1382 Wohnungen umfasst, wurde von Karl Ehn, einem Schüler Otto Wagners und technischen Direktor der Stadt Wien, errichtet. Berühmt wurde der Karl-Marx-Hof später durch seine Rolle beim Februaraufstand 1934, als aufständische Arbeiter in dem Gebäude Zuflucht suchten.

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