Wann spricht man von OFE, wann von Oberflächenspannung?
Die Begriffe OFE und Oberflächenspannung (SFT) sind physikalisch äquivalent. Die OFE wird gewöhnlich für feste Oberflächen und die SFT für flüssige Oberflächen verwendet. Gelegentlich wird aber auch von der SFT eines Festkörpers gesprochen.
Die OFE hat als Energie pro Fläche die Einheit mJ/m2 (Millijoule pro Quadratmeter), wobei häufig auch die für die SFT gebräuchliche Einheit mN/m (Millinewton pro Meter) verwendet wird. Das Formelzeichen ist σ (kleines Sigma), seltener γ (kleines Gamma).
Das Wort „frei“ zeigt an, dass es sich um den Teil der Energie handelt, der in mechanische Arbeit umgewandelt werden kann, im Gegensatz zur inneren Energie, die auch die wärmebedingte Entropie enthält. In der Praxis wird der Begriff „frei“ oft weggelassen.
Welchen Zusammenhang gibt es zwischen OFE und Benetzbarkeit?
Jedes System strebt einen möglichst niedrigen Zustand der freien Energie an. Flüssigkeiten nehmen daher aufgrund der SFT die kleinstmögliche Oberfläche bei gegebenem Volumen ein; in der Schwerelosigkeit bilden sie kugelförmige Tröpfchen. Festkörper hingegen können ihre Oberfläche nicht durch Verformung verkleinern, aber sie können eine Grenzfläche mit einer Flüssigkeit bilden, um die freie Energie zu verringern, d. h. sie können benetzt werden. Die OFE eines Festkörpers steht daher in engem Zusammenhang mit seiner Benetzbarkeit.
Wie kann die OFE beeinflusst werden?
Eine gute Benetzbarkeit und eine entsprechend hohe OFE sind z. B. beim Kleben, Beschichten oder Drucken erforderlich. In anderen Bereichen, wie dem Korrosions- und Feuchtigkeitsschutz, muss die Benetzbarkeit reduziert werden. Eine Vielzahl von technischen Verfahren bereitet feste Oberflächen für den Kontakt mit Flüssigkeiten vor – die meisten davon verändern direkt oder indirekt die OFE.
Die Erhöhung der OFE ist für Kunststoffoberflächen von zentraler Bedeutung. Die bekanntesten Verfahren sind die Plasma-, Flamm- und Koronabehandlung sowie chemische Prozesse mit Oxidationsmitteln. Die industrielle Reinigung entfernt niederenergetische Verunreinigungen durch Fette oder Öle. Die Oberfläche weist dann eine höhere OFE auf.
Eine niedrige OFE und entsprechend geringe Benetzung wird meist durch Beschichtung mit niederenergetischen Stoffen erreicht. Beispiele sind PTFE-beschichtetes Kochgeschirr oder die Verwendung von Ölen zum Korrosionsschutz.
Wie hängen die OFE und der Kontaktwinkel zusammen?
Das Maß für die Benetzbarkeit ist der Kontaktwinkel (CA) θ (kleines Theta), der meist optisch als der Winkel am Schnittpunkt der Kontur eines Tropfens mit der Ebene der Oberfläche (= Basislinie) bestimmt wird. Nach der Young’schen Gleichung resultiert der CA aus einem Kräftegleichgewicht dreier Spannungs- oder Energiekomponenten, von denen jede danach strebt, die Oberfläche oder Grenzfläche zu minimieren: