Theologie und Kultur im Zweiten Vatikanischen Konzil
Von der Reise der Heiligen Drei Könige zur Geburt Jesu bis zur symbolischen Anwesenheit der zwölf Stämme Israels an Pfingsten ist das Thema Katholizität und Kultur eine integrale Dimension der Geschichte Christi und der Kirche gewesen. Zur Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils war das Verhältnis von Theologie und Kultur aus mehreren miteinander verknüpften Gründen von besonderer Bedeutung.1 Das unvollendete Erste Vatikanische Konzil (1869-70) hatte dem Papsttum und der Universalkirche gegenüber dem Episkopat und den Ortskirchen ein unausgewogenes Gewicht verliehen. Ein starkes Papsttum war für die Kirche in ihren Kämpfen mit einer oft feindseligen Welt des 19. und frühen 20. Jahrhunderts von Vorteil, aber die Betonung des „Universalen“ war nicht förderlich für eine Konzentration auf verschiedene Kulturen. Es war notwendig, das Gleichgewicht wiederherzustellen, indem man den Bischöfen und den Teilkirchen die gebührende Aufmerksamkeit schenkte. Es bestand ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Wertschätzung der Rolle der Teilkirchen und der Wertschätzung der Beiträge der verschiedenen Kulturen.
Diese innerkirchlichen Anliegen standen im Zusammenhang mit den Hintergrundfragen der Glaubwürdigkeit der Kirche in Europa nach den beiden Weltkriegen sowie dem wachsenden Gefühl der Schande der Kolonialmächte in ihrer Behandlung der einheimischen Bevölkerung in verschiedenen Ländern. In katholischen theologischen Kreisen bezeichnete Henri de Lubac bereits 1938 unter Berufung auf John Henry Newman die kulturelle Anpassung als ein Schlüsselelement des Katholizismus.2 De Lubac argumentierte, dass das christliche Heil nicht in einen anderen Bereich abgetrennt werden kann, sondern wirklich mit dem menschlichen Schicksal verbunden ist und mit den menschlichen Gesellschaften auf reale Weise zusammenhängt. Der protestantische Theologe H. Richard Niebuhr untersucht in seinem klassischen Werk Christus und die Kultur aus dem Jahr 1951 die Stärken und Schwächen verschiedener Modelle und betont schließlich die Notwendigkeit des Glaubens.3 Im Hintergrund seines Werkes steht die Angst vor der Erkenntnis, dass sich der Glaube vieler europäischer Christen während des Zweiten Weltkriegs eher als nominell denn als real erwiesen hatte und dass das europäische Christentum insgesamt seiner Verpflichtung zur Umgestaltung der Kultur sowie zum Widerstand gegen Elemente der Kultur, die offensichtlich böse geworden waren, nicht nachgekommen war. Zur gleichen Zeit entwickelte ein anderer Protestant, Paul Tillich, seine theologische Methode der Korrelation, nach der die menschliche Erfahrung, verstanden mit Sensibilität für die kulturelle Vielfalt, Fragen aufwirft, auf die das Christentum die Orientierung für eine authentische Antwort geben muss, wenn es existentiell relevant sein soll.4
Das Thema der Auseinandersetzung mit der Welt und damit der Inkulturation wäre…