Das Wasser repräsentiert die Energie, das Ambrosia der Ewigkeit, das sich in das Feld der Zeit ergießt. Das endlose Fließen, das kontinuierliche Fließen, repräsentiert die ewige Natur dieser mystischen Dimension und auch die unendliche Natur ihrer Quelle. Da man die Quelle des Wassers nicht sehen kann, bedeutet das, dass es aus dem Grund des Seins kommt und auch, dass es aus einer anderen Dimension kommt, die für unsere Sinne unsichtbar ist. Auf einer tieferen Ebene gibt es das Paradoxon und den archetypischen Sinn des Unendlichen, das aus dem Nichts kommt, was ironischerweise in den neuesten wissenschaftlichen Ursprungsgeschichten wie der Urknalltheorie als buchstäbliche Wahrheit postuliert wird.
Die meisten Brunnen, die man sieht, entspringen aus einem runden schalenförmigen Behälter oder einer Vase. Das Innere der Schale oder des Beckens ist ein heiliger Raum, sozusagen ein „Heiliger Gral“, der die Transzendenz der Dualität oder, auf psychologischer Ebene, die Lücke zwischen unseren Gedanken darstellt.
Wasser gilt seit langem als Symbol für das Ambrosia der Ewigkeit – und in der Mythologie und Psychologie als Symbol für das Unterbewusstsein. Ein Brunnen stellt eine heilige Öffnung, einen Spalt oder einen Tunnel dar, der eine Verbindung zur Ewigkeit selbst darstellt – wie auch zu den Tiefen unseres eigenen Seins.
In gewisser Weise eine Art Mini-Tempel, der dennoch völlig natürlich ist: eine religiöse, mystische Erfahrung, die paradoxerweise sowohl das Mystische als auch das Physische verbindet und eine Verbindung darstellt, die von der Natur selbst geschaffen wurde.
Deshalb ruft er bei den meisten Menschen eine archetypische Reaktion der Schönheit hervor: Das Ästhetische ist, zumindest auf der symbolischen Ebene, die Manifestation eines Geheimnisses.
02/09/16 Update: Ein Element, das mir kürzlich aufgefallen ist, vor allem beim Betrachten des Standfotos, ist die Lingam/Yoni-Symbolik. Und es gibt eine starke Dichotomie des Lingam, der Shiva repräsentiert, der aus der schalen-/vasenförmigen Yoni herauskommt, die den weiblichen Aspekt repräsentiert. Aber wenn man es aus der Perspektive des Hinduismus betrachtet, macht es durchaus Sinn: Die „Leere“, aus der alles kommt und in die alles zurückgeht, ist die Muttergöttin des Universums. Sie ist es. Symbolisch gesprochen repräsentiert das göttliche Weibliche das Leben selbst, und der Lingam, das männliche Göttliche, repräsentiert die Schlange, die, indem sie das Leben durchbohrt, mitten durch den Tod hindurchgeht, so wie eine Schlange ihre Haut abwirft.
Die Tatsache, dass der Lingam und die Yoni zusammen gesehen werden, wie das Ying und das Yang Asiens sowie das Wasser und die Schale eines Brunnens, stellt dar, dass die beiden eins sind, dass das Weibliche und das Männliche nur zwei verschiedene Aspekte derselben Sache sind, genau wie das Ewige und das Unmittelbare, das Geheimnisvolle und das Manifeste, und in der Tat, das Leben und der Tod: dies stellt für die Seele die transzendente Natur ihres eigenen Wesens dar.
Lesen Sie dieses Zitat von Joseph Campbell
„Nichtsdestotrotz – und hier liegt ein großer Schlüssel zum Verständnis von Mythos und Symbol – sind die beiden Reiche eigentlich eins. Das Reich der Götter ist eine vergessene Dimension der Welt, die wir kennen. Und die Erforschung dieser Dimension, ob freiwillig oder unfreiwillig, ist der ganze Sinn der Heldentat“. – Der Held mit den tausend Gesichtern, Seite 217, Das Überschreiten der Schwelle der Rückkehr
Hier wird das „Reich der Götter“ durch die Yoni, die Leere, die Schale, das Weibliche symbolisiert. Und die „Welt, die wir kennen“, wird durch den Lingam/den maskulinen Aspekt repräsentiert. Das Männliche steht für die Manifestation, aber diese Manifestation hat das Potenzial, mit dem Göttlichen in Kontakt zu kommen, ja göttlich zu werden, wenn sie die Energie, den Antrieb und die Absicht hat, sich selbst in eine Richtung zu lenken, nämlich in die der Spontaneität, die in der Schale des eigenen Herzens wohnt.
Eine weitere Dichotomie: Beachten Sie, dass im Brunnen und in den Hindu-Tempeln der Lingam-Aspekt aus der Yoni herauskommt und nicht hinein geht: Das ist symbolisch für eine Auferstehung. Neues Leben (Nova Vita) kommt in diesem Fall nicht aus dem Geschlechtsverkehr, sondern aus einer Geburt des Herzens.